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Interview mit Peter Robertson

Flötist und product designer (UK)

öfg: Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um einige Fragen zu beantworten. Sie sind ein professioneller klassischer Musiker, der in verschiedenen renommierten Orchestern spielt. Wann und warum begann Ihr Interesse für Technologie und Design?

Peter Robertson: Ich habe mich schon immer für Technologie interessiert und als ich mich für ein Studium entschied, war ich zwischen dem Studium der Physik oder Musik hin- und hergerissen und entschied mich schließlich für ein Musikstudium an der Universität Oxford. In den letzten 16 Jahren habe ich meine Zeit zwischen überwiegend Amateurmusik und der Leitung von Technologie- und Medienunternehmen in der Londoner Innenstadt aufgeteilt. Durch diese Firmen hatte ich die Gelegenheit, viele interessante Produkte zu entwerfen und zu bauen und an einigen erstaunlichen Projekten zu arbeiten, hauptsächlich für andere.

Vor einiger Zeit, nachdem ich Dr. Robert Bigio besucht hatte, um mich in der Herstellung von Flötenköpfen weiterzubilden, beschloss ich, meine Interessen zu kombinieren und meine Tätigkeit auf die Herstellung von Flöten und Flötengadgets (Flötenzubehör) zu fokussieren. Ich habe ein besonderes Interesse an Magneten und an der Entwicklung gut durchdachter, wiederverwendbarer und vielseitiger Produkte. ErfinderInnen der Vergangenheit haben alle möglichen interessanten Neuerungen (einige gut und andere komisch albern) für die Flöte versucht – aber es lohnt sich, wenn ich Menschen sehe, die meine Produkte verwenden.

öfg:Ihr beliebtestes Produkt sind die sogenannten Swap-Stopper. Können Sie jemandem, der noch nie von ihnen gehört hat, erklären, was sie sind und wie sie funktionieren?

PR: In jedem Flötenkopf befindet sich eine Art Stopper im Rohr am Kronenende, gleich hinter der Prägung. Oft besteht dieser aus Kork und hat eine Silber-, Messing- oder Stahlscheibe. In erster Linie dienen diese lediglich dazu, das Ende der Röhre zu blockieren, aber auch ihre Position ist wichtig, da sie die Intonation des Instruments beeinflusst. Jeder Flötenhersteller hat seine eigene bevorzugte Position, die durch die Skala des Instruments und die Präferenz bestimmt wird. Dies wird oft durch die Markierung auf dem Putzstock angezeigt, wenn auch manchmal nicht genau.

Stopper sollten theoretisch wenig Einfluss auf die Klangqualität oder das Spielgefühl des Instruments haben, sie sollen lediglich das Rohrende blockieren. Irgendwann im Jahr 2016 habe ich jedoch den Stopper in einer meiner Flöten vom alten Korken auf eine kleine Messingscheibe umgestellt, die ich hergestellt habe, teils weil mein Korken undicht war und ich keinen Ersatz hatte, teils weil ich einem Freund mit Handgelenksproblemen helfen wollte, das Gewicht des Instruments zu reduzieren. Die Veränderung des Spielgefühls der Flöte war enorm. Ich sprach sofort mit verschiedenen FlötenspielerInnen, von denen einige fest davon überzeugt waren, dass das Wechseln des Stoppers den Klang der Flöte beeinträchtigte, und andere, die die Idee entschieden ablehnten. Als ich bemerkte, dass es unterschiedliche Vorlieben für Stoppergewicht und -material gab, entschied ich mich für eine neue Art von Stopper, mithilfe derer die Musizierenden Material und Gewicht schnell ändern können.

Für meine Stopper gibt es eine Rückseite „Back“, die anstelle des vorhandenen Stoppers passt, und es gibt ein austauschbare Oberfläche „Face“ aus verschiedenen Materialien, die man schnell anbringen und abnehmen kann, zusammen mit Aufsätzen, um das Gesamtgewicht anzupassen. Auf diese Weise können SpielerInnen ihre Einstellungen adjustieren, um sie an verschiedene Kopfstücke, musikalische Vorlieben und sogar an die Akustik anzupassen.

öfg:Haben Ihre Stopper neben der Änderung des Spielgefühls einen weiteren Mehrwert?

PR: Korken müssen häufig gewechselt werden, da sie im Laufe der Zeit austrocknen und schrumpfen können und zu Undichtigkeiten führen. Es ist daher ratsam, Korken bei jeder Wartung des Instruments überprüfen oder ersetzen zu lassen. Stopper ohne Kork haben den Vorteil, dass diese Austrocknungs- und Schrumpfungsprobleme nicht existieren, da sie üblicherweise mit O-Ringen abdichten, die widerstandsfähig, langlebig und billig zu ersetzen sind. Das heißt für FlötistInnen entstehen weniger Wartungskosten und die Verlässlichkeit einer optimalen Abdichtung wird erhöht.

öfg: In Ihrem Swap-Stopper-Kit finden man Stopper mit unterschiedlichen Oberflächenmaterialien. Können Sie uns einen Einblick geben, wie sich die verschiedenen Materialien auf den Flötenklang auswirken?

PR: Das Ändern des „Face“ scheint für viele SpielerInnen dem Ändern des Materials der Mundlochplatte oder des Kamins ähnlich zu sein: Es wirkt sich auf den Widerstand, die Reaktion und das Timbre aus. Jedes Material und jede Oberfläche (matt oder poliert, flach oder gebogen) kann ganz anders zu spielen sein und vielleicht für verschiedene Spielstile, Akustiken und Musikstile geeignet sein.

Ich habe mit über 50 verschiedenen Materialien und Formen experimentiert, von Platin bis Saphir. Es gibt einen signifikanten Unterschied in der wahrgenommenen Auswirkung von Materialien und Gewichten für SpielerInnen und HörerInnen. Ich habe mich für ein Starter-Kit entschieden, das Silber-, Titan- und Zirconiumoberflächen enthält, da diese attraktiv zu spielen und kostengünstig sind, obwohl die Herstellung der hochglanzpolierten Teile aus Titan und Zirconium eine Herausforderung darstellt. Diese drei Materialien in den ausgewählten Gewichten erzeugen eine große Bandbreite an Experimentiermöglichkeiten ohne die mit Gold und Platin verbundenen hohen Kosten. Das Wichtigste für mich ist, dass das Kit eine Vielzahl von Optionen bietet. Ich ändere manchmal das Setup während einer Probe: Vielleicht projiziere oder mische ich einfach nicht oder habe einen „schlechten Spieltag“ und der Wechsel zu einem anderen Stopper-Face kann mir die Änderung geben, die ich brauche.

öfg:Würden Sie sagen, dass diese Stopper für alle Leistungsstufen des Flötenspiels und für alle Arten von Flöten geeignet sind?

PR: Ich denke, alle Flöten können Stopper der neuen Art (ohne Kork) verwenden. Tatsächlich würde ich vorschlagen, dass alle Hersteller von Instrumenten für SchülerInnen und Fortgeschrittene diese verwenden, da es sich häufig um Instrumente handelt, die nicht so regelmäßig gewartet werden. Ich arbeite mit einem Hersteller zusammen, um einen neuen (nicht austauschbaren) Stopper zu erstellen. Der Swap-Stopper richtet sich jedoch an fortgeschrittene Amateure und Profis, aufgrund der verwendeten Magnete ist er nicht für Kinder geeignet. Man sollte wirklich ein gut eingestelltes Instrument mit passendem Kopfstück haben, bevor man mit Flötengadgets experimentiert. Ich persönlich denke, dass die gute Passform eines Kopfstücks weitaus mehr Einfluss auf das Spiel haben kann als viele der verfügbaren Zusatzgeräte.

Das Anpassen erfolgt am besten, wenn man mit seiner eigenen Technik vertraut ist und die Auswirkungen der Änderungen des Widerstands kritisch beurteilen kann. Die Bewertung eines Flötengadgets sollte über mehrere Tage erfolgen, unter verschiedenen Umständen, in verschiedenen Räumlichkeiten und idealerweise inklusive Rückmeldung von KollegInnen. Was in einem Wohnzimmer kraftvoll klingt, reicht möglicherweise nicht für ein großes Sinfonieorchester.

öfg: Auf Ihrer Webseite flutegadgets.co.uk bieten Sie auch außergewöhnliche und farbenfrohe Kronen an. Was hat Sie zu diesen besonderen Designs inspiriert und was ist Ihr persönlicher Favorit?

PR: Ich hatte die Idee für eine Krone mit Rosendesign, die ich für mich selbst herstellen wollte. Das Prototyping beinhaltete die Erstellung einiger Kunststoffversionen, damit ich mit Formen und Passform experimentieren konnte. Diese sahen vielversprechend aus, also gab ich ein paar als Geschenke weiter und fing dann an, einige zu verkaufen und bald wurde es eine größere Sache! Die bunten Kronen richten sich in erster Linie an Kinder und ich liebe es, auf Facebook Bilder zu sehen, in denen SchülerInnen ihre Flöten hochhalten, um eine Reihe bunter Rosen zu kreieren. Später habe ich funkelnde Versionen in lila, pink und schwarz gemacht, diese sind meine persönlichen Favoriten unter den farbenfrohen Modellen.

öfg: Welche weiteren Produkte sind für die Zukunft geplant? Was ist Ihre Vision für die nächsten 10 Jahre, wenn es um Flötenzubehör geht?

PR: Ich war ziemlich beschäftigt damit, einige benutzerdefinierte „Faces“ aus neuartigen Materialien (z. B. Holz und Saphir) und maßgeschneiderten Kronen herzustellen, um Aufträge zu erfüllen. Es gibt einige Materialien, die sich als beliebt erweisen und die ich dem Standard-Kit hinzufügen möchte. Ich habe einige andere verrückte Ideen in der Entwicklung, aber sie sind möglicherweise nicht realisierbar! Ich hasse zum Beispiel Flötenpolster, diese kleinen nervigen, empfindlichen und ziemlich teuren Dinger, die eine Aufführung ruinieren können! Ich wünschte, jemand würde eine belastbare und gut abdichtende Alternative entwickeln.

öfg: Neben Auftritten in Orchestern und der Entwicklung von Produkten sind Sie auch auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Twitter sehr aktiv. Ist es heutzutage wichtig für kleine Unternehmen und für Musizierende dort präsent zu sein?

PR: Heutzutage scheint es beruflich unabdingbar, in den sozialen Medien präsent zu sein. Diejenigen, die ich als erfolgreich sehe, haben sicherlich eine Strategie: Sie posten regelmäßig, sie planen ihre Posts gut und passen ihre Kreationen ihrem Publikum an. Es braucht viel Mühe und Zeit, um es gut zu machen, und ich mache es mit Sicherheit nicht gut.

Musik ist für mich eine fantastische Möglichkeit, in die Welt zu gelangen, Menschen zu treffen und meinen Horizont zu erweitern. Ich bin etwas introvertiert und Social Media hilft mir dabei, aus mir herauszugehen. Ich habe einige erstaunliche FlötenspielerInnen kennengelernt, leidenschaftliche Diskussionen geführt und bin dank der Kontakte, die ich über Plattformen wie Facebook und Instagram geknüpft habe, um die Welt gereist.

öfg: Letzte Frage: 2006 haben Sie Upbeat Productions mitbegründet, eine Agentur für digitale Produktionen, die sich auf Softwareentwicklung und Videoproduktionsdienstleistungen spezialisiert hat. Wie schaffen Sie es, in zwei Unternehmen zu arbeiten und regelmäßig auf Bühnen aufzutreten? Ist es Ihrer Meinung nach wichtig, eine zweites Standbein als MusikerIn zu entwickeln?

PR: Ich wollte immer eine abwechslungsreiche Karriere haben, also habe ich schon früh versucht, so viele verschiedene Dinge zu tun, wie es die Zeit erlaubte. Vielleicht hat mein Musizieren unter meinem Geschäftsleben gelitten, aber dann wäre ich nicht an der Erstellung des weltweit ersten Streaming-Dienstes für klassische Musik oder der Arbeit an Harry Potter beteiligt gewesen. Vielleicht hat mein Geschäftsleben unter der Musik gelitten, aber dann würde ich es verpassen, mit großartigen KollegInnen zusammenzuarbeiten, große Soli in einem riesigen Sinfonieorchester zu spielen oder Stücke, die für mich komponiert wurden, aufzuführen. Meine geschäftliche Arbeit bedeutet leider, dass ich nur 15 bis 30 Konzerte pro Jahr spielen kann, daher muss ich immer sorgfältig auswählen. Am schwierigsten ist es, effektive Überzeit zu finden.

Mehrfachkarrieren sind nicht wirklich neu, zumindest nicht für MusikerInnen, die es gewohnt sind, Performen, Unterrichten, Komponieren, Arrangieren, Wissenschaft, Marketing, administrative Jobs und andere Tätigkeiten zu kombinieren. Insbesondere durch soziale Medien erhalten wir mehr Einblick in die Entscheidungen, die Musizierende treffen müssen, um ihre Leidenschaft mit realistischer Ökonomie in Einklang zu bringen.

Ich habe auch das Gefühl, dass die Möglichkeiten und die Akzeptanz von Portfoliokarrieren (sowohl simultan als auch sequentiell) zunehmen. Es ist sicherlich wichtig, sich der Chancen einer Karriere in den Künsten bewusst zu sein. Leider können nur sehr wenige ihren Lebensunterhalt nur mit dem Musizieren verdienen, daher hoffe ich, dass ich durch meine anderen Karrieren und Geschäfte dazu beitragen kann, kreative Berufe zu unterstützen und sicherzustellen, dass sowohl Amateur- als auch professionelles Musizieren gedeihen können.

Peter ist ein in London ansässiger Flötist, der regelmäßig als Prinzipal Flute mit dem Ealing Symphony Orchestra und dem Oxford Chamber Orchestra auftritt. Er spielt eine spezielle goldene Haynes-Flöte (# 7) und Holzflöten von Chris Abell mit einem Holzkopf von Robert Bigio Mopane. Peter hat weitreichende Interessen als Technologe und Produktdesigner und interessiert sich neben dem professionellen Spielen von Flöten auch für Flötenbau, Flötengeräte und Zubehör. Derzeit experimentiert er mit neuen Flötendesigns.

Instagram: @flutealot
Webseite: https://www.peterrobertson.name
Produkte: https://flutegadgets.co.uk/
Das Interview führte Mirjam Braun für die ÖFG.

Ein Auswahl an Kronen (Metall und auch Plastik), und ein Stopper Kit zum testen ist erhältlich bei Maria Kosa (Vorstand ÖFG), und kann gerne nach Terminvereinbarung angeschaut, getestet und auch erworben werden. Kontakt: office@oefg.net oder 0650 5160 073.